Kampagne gegen Amazon?

Ein Wort zu der ARD-Reportage über die Arbeitsbedingungen bei Amazon….

Ich hege keinerlei Sympathie für dieses Unternehmen, muss aber mal loswerden, was mir durch den Kopf gegangen ist, als ich mir diese Dokumentation heute nachträglich anschaute.

Ich hatte die Sendung zum ursprünglichen Sendetermin nicht gesehen, war aber ob der Fülle der negativen Kommentare in Medien bzw. Internet etwas neugierig geworden.

Ich bin auch jetzt noch überrascht über den kollektiven Aufschrei der Empörung in den Medien, der mir doch allzu selbstgerecht und gewollt daherkommt.

Erstmal erwähnen die Filmemacher mit keiner Silbe, wer die zitierten Missstände wie Leiharbeit zu Billiglöhnen und Massenzuführung von Wanderarbeitern durch entsprechende gesetzliche Regelungen auf nationaler und EU-Ebene ermöglicht und verschuldet hat.

Amazon nutzt nur die gegebenen rechtlichen und steuerlichen Spielräume, wie andere Unternehmen aus dem In- und Ausland und bedient sich in völlig selbstverständlicher Weise Leiharbeitsfirmen wie andere Auftraggeber, die keinen Deut besser oder schlechter sind.

Im Film kommt nur eine einzige Betroffene zu Wort, eine spanische Kunstlehrerin, die für drei Monate in Deutschland arbeiten möchte.

Kronzeugen der Anklage sind ein anonymer Busfahrer, ein Pfarrer und ein Gewerkschaftsfunktionär. Im Film ist oft die Rede von Würde und Freiheit – leicht über die Lippen kommen diese Worte dem Seelsorger, der es schon als menschenverachtend und würdelos empfindet, wenn man den Forderungen seines Arbeitgebers Folge leisten ergo „gehorchen“ muss: „Hier bin ich einer anderen Welt. Hier muss ich gehorchen. Hier gilt meine Würde nicht“. Sprichts und braust in seinem Mittelklassewagen davon.

Kein Wunder, denn wer als Diener Gottes ein Kirchensalär oder als Gewerkschaftsfunktionär ein weitgehend leistungsloses Einkommen bezieht, in opulenter Höhe, und nur Gott und/oder seinem Gewissen verpflichtet ist, kennt die Arbeitswelt bestenfalls aus Gewerkschaftsblättern und Bulletins des Vatikans – da verliert man schon mal den Blick für die Realität des deutschen Arbeitslebens. Hauptsache, man kann von einem moralisch überlegenen Standpunkt aus dozieren.

Schien mir, als würden sich kirchliche und gewerkschaftliche Kreise ein neues gutmenschliches Tätigkeitsfeld erschließen wollen, da man der eigenen Schäfchen verlustig zu gehen droht, von eigenen Versäumnissen ablenken will, sich aber gleichwohl dauerhaft auf der Seite der Guten positionieren will.

Besonders der Gewerkschaftsfunktionär von Verdi, der zweitreichsten deutschen Gewerkschaft, die bei der Bezahlung ihrer eigenen Mitarbeiter auch nicht gerade für übertriebene Generosität bekannt ist und auch schon mal die Bewirtschaftung der hauseigene Kantine in der Berliner Zentrale an einen schlecht zahlenden Catering-Konzern outgesourct hat, fühlt sich offenbar in seiner Rolle wohl. Gezielt wird hier eine Feindkulisse aufgebaut, Emotionen werden geweckt…

Bei Amazon gebe es „alles zu kaufen, aber wer zahlt am Ende die Rechnung“, fragt man zu Anfang. Ja, wer denn wohl…

Öhm, wer zahlt wohl am Ende die Rechnung für dieses filmische Auftragswerk? Der Hessische Rundfunk ließ diese Doku nach eigenem Gutdünken – ohne sich für die Mittelverwendung rechtfertigen zu müssen – produzieren. Zur Erinnerung: mit Zwangsgebühren finanziert, die den Bürgern abgepresst werden, von denen viele nur einen Bruchteil dessen verdienen, was der verantwortliche Redakteur oder Sendeleiter bezieht. Bleiben da nicht auch Gerechtigkeit, Freiheit und Würde des Gebührenzahlers auf der Strecke?

Dieses tendenziöse Machwerk erinnerte mich eher an die DDR-Dokumentationen der „Gruppe Sabine Katins“ aus den späten 70er Jahren. Der Grundtenor lautete stets in der Regel so: Im Westen leben Nazis und schlimme Ausbeuter, die die arme Arbeiterklasse unterdrücken. Hierzu wurden dann passende Akteure gesucht und vor die Kamera geholt.

Alles wurde in etwa so inszeniert, dass es in dieses Bild hineinpasste, wobei Objektivität simuliert wurde.

So auch hier: Ein anonymer Busfahrer weiß zu berichten, dass Wanderarbeiter in einem heruntergekommenen Ferienpark zu siebt eingepfercht würden und wortwörtlich „im Keller des Restaurants wie die Schweine abgefüttert“ würden… Die würden ja aus Armut in der Kantine um Kaffee betteln….
Belege hierfür bringt man keine. Hauptsache, dick auftragen, wenn nicht sogar üble Verleumdungen, die durch nichts untermauert werden.

Hier wird gleich zu Anfang der Doku deutlich gezeigt, wo man den Zuschauer hin haben will.
Dass man den Sicherheitsdienst in der Nazi-Ecke verortet, denn der Name H.E.S.S. könnte ja möglicherweise gar kein Akronym, sondern von Rudi Hess abgeleitet sein, wie der Sprecher aus dem Off (für den „Hessischen“ Rundfunk) mutmaßt, und überhaupt seien wohl das (für einen Sicherheitsdienst in der Regel übliche) leicht martialische Auftreten und die falschen Markenklamotten und ein Acab-Tattoo wohl Beleg genug für die braune Gesinnung, ist dann das i-Tüpfelchen, das für die medial ausgezeichnet vermarktbare Schlagzeile sorgt…

Das britische Blatt „Independent“ nahm sodann die Vorlage dankbar auf und titelte schon in gewohnter Art: „Amazon used neo-Nazi Guards to keep immigrant workforce under control“ in Germany“

So einfach ist das – Arbeitslager und Naziaufseher geben immer ein gutes Bild ab, an dem sich die empörungswillige Öffentlichkeit abarbeiten kann. Um so besser, wenn man mit Amazon einen amerikanischen Konzern an den Pranger stellen kann – perfektes Feindbild für den Mainstream. Denn auf der Empörungswelle lässt sich gar trefflich reiten, wie bereits ein kleiner Verlag zeigte, der überaus werbewirksam ankündigte, seine Geschäftsbeziehung zu Amazon zu kappen. Ein Schelm, wer glaubt, es ginge dabei nur um Publicity für einen kleinen unbedeutenden Verlag…

Im weiteren Verlauf der Aufnahmen erbringt man keinen objektiven Beleg für arbeitslagerähnliche Zustände…

Anstelle der Schweinekoben im Keller wurde ein ansprechendes Restaurant gezeigt; die menschenverachtenden Behausungen entpuppten sich als Doppelzimmer, wobei man auch mit einem separaten Schlafplatz auf der Couch vorlieb nehmen kann. Ich selbst habe schon zu schlechteren Bedingungen gewohnt und gearbeitet und dies nicht als menschenverachtend empfunden.

Der Vollständigkeit halber:
Überall seien Tafeln mit Hinweisen und Verhaltensmaßregeln zu sehen (ja, schlimm?)
Arbeiter würden von jungen Frauen durch die Flure dirigiert (ist doch gut oder?).
Alles sei „generalstabsmäßig“ organisiert (soll wohl militaristische Assoziationen wecken).
Freie Kost und Logis sei entweder Sozialversicherungsbetrug oder Steuertrick – Ersteres ließe sich nicht nachweisen, aber das sei ja, egal, denn das Ergebnis sei gleich. Aha, aber ein kleiner Unterschied ist es schon oder?

Alles in allem hinterließ die Sendung bei mir einen üblen Nachgeschmack, der mich auch weiterhin am Sinn eines durch erzwungene „Demokratie-Abgabe“ finanzierten Parteienrundfunks zweifeln lässt…

Quelle: ARD-Dokumentation: Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon