Zur Frage der Rezensionen

Als ich gestern im Web stöberte, wurde mir bewusst, dass ich seit einer halben Ewigkeit keine einzige Rezension mehr geschrieben habe, zumindest keine, die diesen Namen verdient. Keine Sorge, ich habe auch nicht unbedingt vor, welche zu schreiben. Nein, ich verspüre keine derartigen Ambitionen. Zum Glück. Ab und zu mal einen Gedanken oder ein Zitat aus einem Werk anzuführen oder ggf. in den Text einfließen zu lassen, finde ich ausreichend und sinnig (hierzu passend/ergänzend aus aktuellem Anlass ein Posting zum Urheberrecht von Dark Lord). Aber eine faire, umfassende, ordentlich gegliederte und fundierte Kritik kostet Zeit. Idealerweise müsste oder sollte eine solche Rezension auch irgendeinen Mehrwert für andere Leser generieren. Verständlicherweise gelangt auch niemand auf dieses Blog, weil er hier unbedingt eine Buchrezension erwarten würde. Aus Verlagssicht stellen Rezensionen ein nützliches Marketinginstrument dar, ein verkaufsförderndes Mittel – oft wird gemunkelt, dass die ersten Rezensionen eines neuen Werkes „organisiert“ sind. Ist wohl auch kein Geheimnis. Rezensionen dienen in erster Linie dazu, überhaupt erstmal Aufmerksamkeit für ein neues Werk zu wecken – es geht ja auch darum, inmitten von Hunderten oder Tausenden Neuerscheinungen aufzufallen, die jeden Monat auf den Markt kommen. Da helfen natürlich positive Leserstimmen. Das Größte natürlich – eine wohlmeinende, geistreiche Besprechung im Feuilletonteil einer renommierten Zeitung. Aber Amazon-Rezensenten sind sicherlich die Fußsoldaten in einer Schlacht um Anerkennung und Aufmerksamkeit, bei der auch viele Autoren auf der Strecke bleiben (müssen).

Normalerweise sucht man als Leser ohnehin auf Amazon oder auf einer dieser Literaturwebsites nach einem Titel, liest kurz die Inhaltsangabe und schaut sich einige Bewertungen an. Ja? Es ist wohl auch oder in erster Linie die Vielzahl der unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Meinungen, für die ich mich als normaler Leser interessiere. Da geht die Einzelmeinung sowieso unter, die individuelle Rezension symbolisiert die Anzahl der Sternchen, die in die Berechnung der mittleren statistischen Bewertung eingeht, die im Bewusstsein letztlich – machen wir uns nichts vor – in einer Entscheidung gipfelt: Daumen hoch oder Daumen runter.

Geübte Rezensenten bilden sich vielleicht beim Lesen schon eine Meinung und formulieren im Hinterkopf schon die ersten knackigen Sätze. Bei mir ist es nach dem Lesen meist so, dass ich das Buch erst auf mich wirken lasse, den Nachhall des Gelesenen spüren möchte, bei guten Büchern noch tagelang – und ich will ehrlich gesagt auch gar nicht gleich zu einem neuen Buch greifen, weil mir dann der Bezug zum Buch, das Band zu dem Bild verloren geht, das der Autor mit Worten malt oder vielleicht ausdrücken wollte. Das Buch ist ja immer auch eine Begegnung mit der Welt des Autors, bei guten Schriftstellern keine eindeutige Botschaft, sondern ein Angebot, in eine fremde Gedankenwelt einzutauchen… Na ja, danach möchte ich den gelesenen Inhalt reflektieren, verarbeiten, mit früheren Erkenntnissen oder eigenen Erfahrungen verknüpfen, vergleichen und relativieren. Schwere Kopfarbeit, Freunde, die das geplagte, weiche und poröse Hirn so quasi im Vorbeigehen erledigt…

Ebooks oder richtige Bücher – darüber ließe sich auch mal plaudern. Ich lese ja sowohl auf Papier als auch in elektronischer Fassung. Handfeste Bücher bevorzuge ich natürlich, aber die ebooks empfinde ich als sinnvolle und praktische Ergänzung. Eine platzsparende und nützliche Alternative eben, kein vollwertiger Ersatz. Auch die Frage nach Hörbüchern würde ich mal dazurechnen. Die Gattung der Hörbücher ist nach meiner Erfahrung auch eine Bereicherung für den Leser/Hörer. Allerdings haut das auch nicht immer hin, d. h. nicht jedes Buch funzt als Hörbuch. Ist von einigen Faktoren abhängig, z. B. Sprecher(in), Tempo, Informationsdichte, etwaige Audioeffekte. Es gibt auch raffiniert gemachte Hörbücher, die als richtig gute Hörspiele mit verschiedenen professionellen Sprechern und Toneffekten inszeniert sind. Für mich gibt es somit drei verschiedene Arten der Vermittlung bzw. Aufnahme von (literarischen) Inhalten, die doch alle irgendwie ihre Berechtigung haben oder? Okay, die Ansichten dazu gehen weit auseinander. Aber gut, dass wir mal drüber gesprochen haben. 😉

13 Gedanken zu “Zur Frage der Rezensionen

  1. Dark Lord 10. März 2015 / 17:43

    Sehr interessant durchdacht. Auch ich habe gelegentlich Rezensionen geschrieben, in meiner Anfangszeit als Hobbyschreiberdingens. Allerdings hab ich schnell gemerkt, dass Rezensionen, sollen sie ordentlich sein, etwas fundierteres „Fachwissen“ aufweisen als nur von einem Nutzer oder Genießer. Wenn ich jetzt etwas rezensiere, muss es mich beeindruckt haben – wie du sicherlich weißt oder gemerkt hast.

    Und was du richtig bemerkt hast, sind oft Rezensionen „erkauft“ oder in Auftrag gegeben – offiziell würde es natürlich niemand zugeben.

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  2. Philipp 10. März 2015 / 20:23

    Da kann Ich die Leute beruhigen. Was Ich rezensiere steht meist schon einige Jahre in meinem Bücherschrank. 99 % meines Bestandes ist aus dem „Antiquariat“ wie man so schön sagt. Neue Bücher kaufe Ich selten, und wenn dann war Ich die letzten male oft ziemlich enttäuscht (JA, Ich habe Shades of Grey gekauft! Asche auf mein Haupt! So ein Müll!). Da kann man sich doch fragen ob man die Leser mit so altem Kram nicht eher abschreckt, aber egal. Wir schreiben ja keinen Blog damit er gelesen wird. Das kann ja jeder!

    Für Beiträge bezahlen lassen und das dem Leser nicht sagen halte Ich für mies. Das würde Ich nicht machen. Die eigene Glaubwürdigkeit untergraben ist doof. Basta.

    Grüße aus Dresden

    Philipp

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    • Maxx 12. März 2015 / 15:11

      Shades of Grey ist auch völlig uninteressant für mich, nicht mein Ding. Da ist der Hype völlig an mir vorbeigegangen. Meine Vorgehensweise ist immer so: Wenn ich mich für irgendein Buch interessiere, schau ich erstmal, was es „in echt“ und als ebook-Variante kostet.
      Dann schau ich hier http://www.justbooks.de/, ob es das nicht auch als antiquarisches Exemplar in gutem Zustand gibt – das wäre dann eigentlich auch meine bevorzugte Option.
      Gut oder mal für einen nächsten Bibliotheksbesuch vormerken, da kann ich auch online die Bestände checken, geht mittlerweile auch.

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  3. Dark Lord 12. März 2015 / 9:41

    Mhmm, wie mysteriös. Auch meine Bibliothek strotzt vor antiquarischen Büchern und darüber Rezensionen schreiben wäre schon blöd, wenn der Autor das nicht mehr lesen könnte. Was neuerdings so geschrieben wird, ist einfach nur noch bähh und vorhersehbar in der Geschichte. Scheisse, ich werde alt …

    Meine neueste Erwerbung in der Hinsicht ist übrigens vom Dichter Gorch Fock, in irgendeinem Reste-Laden gefunden. Boah hab ich mir einen Keks gefreut …

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    • Maxx 12. März 2015 / 14:58

      Muss gestehen, dass ich Gorch Fock auch erst so seit ca. zehn Jahren kenne.
      Vorher wusste ich gar nicht, dass dieses ominöse Segelschulschiff nach einem realen Dichter/Schriftsteller benannt war. Gorch Fock war so eine dieser seltsamen Leerstellen, dank einseitiger VerBildung aufgerissen (G. Fock wurde soweit ich mich erinnere im Laufe meiner ganzen Schul- und Studienzeit nie erwähnt). Welches Buch hast du denn von ihm entdeckt, Gedichte? Eine alte Ausgabe auch? Diese Textstelle hier gefällt mir nebenbei sehr gut, zufällig gefunden (Seefahrt ist Not):
      „…Denn die See nahm das Wort, die Nordsee, die Mordsee – mit ihren jagenden, zerrissenen Wolken, mit ihrem pfeifenden, brausenden Sturm, mit ihren haushohen, schäumenden, brüllenden Seen, mit Brand und Wetterleuchten, mit Dünung und Gewitter – mit geborstenen Segeln, gebrochenen Masten, blakenden Notfackeln, verlorenen Wracks und hilferufenden Fahrensleuten.“
      Aus: „Seefahrt ist not!“, 1913, Gorch Fock)
      http://gutenberg.spiegel.de/buch/seefahrt-ist-not-2598/2

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      • Dark Lord 12. März 2015 / 18:06

        Das Buch heißt „Schiff vor Anker“ und ist eine 1920er Ausgabe – allerdings war der gute Mann zu der Zeit schon tot (im 1. Weltkrieg im Schützengraben umgekommen). Mit Bildern seines Elternhauses ud selbstbrummelnd in Fraktur geschrieben – ich liebe es das zu lesen. Durch meine Militär-Urlaubs-Zeit (mit Militär hatte das irgendwie gar nichts zu tun) bin ich darauf gekommen, als ich den Stützpunkt Kiel mit meinem Dienstausweis betreten habe und einmal auf die „Gorch Fock“ gehopst bin. Natürlich ist auf dem Schiff eine Gedenktafel an den Schriftsteller. Und dann hab ich es während meiner Arbeit auf Sylt in einem Antiquariat entdeckt, allerdings – Sylter Preise, nene. Umso mehr freut es dann, mal nebenbei sowas zu finden…

        Übrigens hat er auch mir einen Lieblingssatz beschert (juhuu, ich darf zitieren, er ist schon >70 Jahre tot – scheiss Sarkasmus, ich weiss^^):
        „Abermals sitzt ein Tropfen Tinte in meiner Feder und will verschrieben sein“. Diesen Satz hat er recht häufig verwendet, als wenn er zu dem Zeitpunkt seine Notizen wieder rausgekramt hat und weiter geschrieben. Und so liest es sich dann auch.

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      • Max 12. März 2015 / 18:13

        Wow. Ne Ausgabe von 1920. Sammelwürdig!
        Ja, ist er nicht 1916 sogar mit nem Schiff untergangen? In der Schlacht im Skagerrak.

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      • Dark Lord 12. März 2015 / 18:22

        Jupp. Habs nachgeschlagen. Mein Wissensstand war noch Schützengraben, aber ok, ich bin lernfähig 😉 Übrigens, wer ihn als Hamburger nicht kennt, hat hier nichts verloren. Ist genau so ein bekannter Hamburger Jung wie Hans Albers 😉

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      • Dark Lord 12. März 2015 / 18:06

        Nebenbei: Hah, in einer Sache bildungstechnischer Natur bin ich dir ein paar Jährchen voraus 😀

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      • Max 12. März 2015 / 18:10

        Hehe, ja! 🙂

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  4. Maxx 15. März 2015 / 2:14

    Neulich, als ich mal wieder in einer Buchhandlung in der City war, hab ich mich von der schieren Masse an vorhandenen Büchern förmlich erschlagen gefühlt. Es war ein ungewohntes Gefühl… Ich informier mich ja sonst bequemerweise meist nur online, so dass mir dieser „physische“ Anblick der Fülle an potenzieller Lektüre abhanden gekommen war (d.h. die Bücher zu sehen, nicht nur zu wissen, dass sie vorrätig sind) – der Blick auf ganze Reihen mit prall gefüllten Regalen, auf all diese Stapel mit neuen, unverkauften Büchern hoffnungsvoller oder etablierter Autoren, von denen ich die meisten wahrscheinlich nie lesen werde, was einen irgendwie auch wehmütig werden lässt. Aber Buchhandlungen haben in mir früher auch schon dieses Gefühl ausgelöst, wenn ich recht drüber nachdenke. Vor allem lassen sie mich müde werden… Ich nehm dann mal ein paar Bücher in die Hand, lass mich vom Cover verlocken, lese kurz rein und leg sie wieder hin: Mal lieber an die frische Luft…

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    • Philipp 15. März 2015 / 4:29

      Ging mir letztes Jahr auch so als Ich mal wieder zu Thalia „musste“ weil Ich noch Mass La Meng Gutscheine von denen hatte die so langsam verfallen. Ich mag diese „Hyperstores“ auch nicht.

      Ich hab dann was gekauft was Ich eh wollte, die Millenium Triologie von Stieg Larsson. Aber ansonsten schaue Ich meistens bei Amazon rein und suche die 1 Cent (+ 3 € Versand) Schnäppchen.

      Was Ich mir neu kaufen will ist das Buch vom Bloggerkollegen Sascha Bors „Gestern Nacht im Taxi“, das soll nicht schlecht sein. Endlich mal eine Gelegenheit in die Buchhandlung bei mir um die Ecke hier zu gehen. Kostet das selbe wie bei Amazon, aber mit „support your local dealer“ und so.

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      • Maxx 15. März 2015 / 18:47

        Ja, Philipp, er schreibt sehr unterhaltsam, ich hatte das Buch auch schon hier am Alex in der Bahnhofsbuchhandlung in der Hand, ist dort gut sichtbar präsentiert; bestimmt auch erfolgreich. Wenn es sich ergibt, werd ich bestimmt mal reinlesen. Die Taxibranche ist in meiner Familie kurioserweise auch vertreten.

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