Maxim

Als den hohen Offizieren in den Generalstäben der europäischen Armeen im ausgehenden 19. Jahrhundert das erste Maxim-Maschinengewehr vorgeführt wurde, sollen sich viele der altgedienten Militärs skeptisch gezeigt haben. Das Maxim war eine technische Glanzleistung, das erkannten die Generäle natürlich. Beeindruckend, aber militärisch und strategisch kaum von Wert, so sollen sie anfangs geurteilt haben. Pure Munitionsverschwendung. Wozu sollte es gut sein, hunderte oder gar tausende Patronen in schneller Folge hintereinander abzufeuern, wenn doch ein Schuss aus einem herkömmlichen Karabiner ausreichte, um einen Gegner zu töten oder kampfunfähig zu schießen? Oder gar im Nahkampf ein schneller Hieb mit dem Säbel oder ein präziser Stich mit dem Bajonett – chirurgisch sauber, das tat’s doch auch. Ein ehrlicher Kampf – Mann gegen Mann. Galt es nicht als unritterlich, hunderte gegnerische Soldaten aus der sicheren Deckung heraus quasi im Alleingang wie mit einer glühenden Sense niederzumähen? Es ging den Militärs selbstverständlich um Sieg oder Niederlage, aber nicht ums Abschlachten. Sie sahen sich vielleicht eher als strategisch denkende Spieler, die sich an einem Schachbrett gegenübersitzen. Der fließbandartige Tod war noch nicht erfunden. Kein Wunder, es gab ja auch keine Fließbandproduktion. Später erst, aber da waren die alten Generäle längst tot. Das Kommando übernahmen folglich irgendwann General Dynamics, General Motors, General Defense, General Electric, General Wallstreet und rangniedere Obristen und Vasallen … – was ja natürlich eine ganz andere Geschichte ist – und überhaupt, um das ein für alle Mal klarzustellen, hat das alles nichts zu tun mit … mit irgendwas. Weiterlesen

Hard-Hammered Dreamland

Ich ließ mir eine scharfe Klinge aus valyrischem Stahl schmieden. Dies sei der beste Stahl, der für Gold noch zu bekommen sei, hatte mir der Gnom versichert, der mir im Traum erschienen war. Hundertfach gefalteter Stahl, mit sonderbaren Legierungszusätzen, nach den Methoden der alten Meister raffiniert und handgeschmiedet. Ich habe vergessen, was der Zwerg sonst noch sagte. Sicher sagte er noch viele kluge Dinge – das tun sie immer – aber ich erinnere mich an kaum etwas. Er mochte mich, war mir wohlgesinnt, denke ich. Hätte er mir sonst zum Schwert geraten? Nur an den Klang der Musik, die den Raum erfüllte, erinnere ich mich. Das Schwert, das ich daraufhin anfertigen ließ, war nicht scharf genug. Es konnte die solide Rüstung der Eisenmänner nicht durchdringen. Oder war ich zu schwach? Nutze doch andere Waffen, meinte der Gnom in der folgenden Nacht. Welche Waffen? Ich habe keine, erwiderte ich. Als Kinder fanden wir beim Spielen einst eine verrostete Weltkriegspistole im Mühlenbach, erzählte ich dem Gnom. Im Mühlenbach? Nein, so hieß der Bach sicher nicht. Egal. Aber jemand muss diese Pistole nach dem letzten großen Krieg, dem vorerst letzten, dort versenkt haben. Sie war natürlich nicht mehr zu gebrauchen, auch der Verschluss ließ sich trotz sorgfältiger Säuberung nicht mehr bewegen. Höchstens ein winziges Stückchen, glaube ich. Im Schlamm vergraben hatte sie seit vielen Jahren dagelegen. Wem sie wohl gehört haben mochte, frage ich mich damals. Das ist natürlich ewig lange her, das Alteisen ist längst entsorgt. Aus der Erinnerung und anhand von Bildern habe ich sie später als eine P38 identifiziert.
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Licht

DSCN2986Da ist diese brennende Kerze auf dem Balkon. Schwer zu sagen, wie weit sie heruntergebrannt ist. Zur Hälfte oder mehr? Bestimmt. Die sattgelbe Flamme mit dem orangefarbenen Saum hält sich wacker. Langgestreckt und ruhig steht sie in der kühlen Nachtluft. Ich weiß, sie brennt schon lange. Wie lange noch? Zeit ist relativ. Das wusstest du schon. Alles ist relativ. Auch klar. Ab und zu bemerke ich ein leichtes Flackern. Eine Windböe wird sie zum Erlöschen bringen. Irgendwann. Oder ein lauer Windhauch. Das wäre gnädig. Nicht stinkend funzeln und ersticken, sondern noch einmal hell erstrahlen und erlöschen. Sauber, ohne Rauch. Nur die Erinnerung an den hellen Schein, die bleibt noch eine Weile als Bild auf der Netzhaut. Doch auch Kerzen sind nicht mehr das, was sie mal waren. Für was ist diese Flamme gut?