Von Clowns und Kaisern…

Vom letzten deutschen Kaiser ist überliefert, dass die seinem Mund entfleuchenden Worte seinen Gedanken oft vorauseilten…

Wilhelm II, der zuweilen auch als „Redekaiser“ bezeichnet wurde, galt als ausgewiesenes Redetalent und wusste seine Zuhörer durch sein umfangreiches Wissen und seine hohe Intelligenz zu beeindrucken. Er äußerte sich oft und gern zu allen möglichen Fragen seiner Zeit.

Leider sollen seine ebenso unbestrittene Arroganz und Impulsivität ihn oft dazu verleitet haben, bei seinen Reden zu improvisieren. Einmal in Fahrt gekommen, ließ er sich daher zuweilen zu unbedachten oder politisch unklugen Aussagen hinreißen, die im Ausland harsche Reaktionen provozierten.

Wilhelm selbst war sich der Wirkung seiner gesprochenen Worte oft nicht bewusst, denn spiegelbildlich zu seinem Hang zur Selbstdarstellung soll er Journalisten verachtet und die Wahrnehmung seiner Reden im Ausland unterschätzt haben.

Nach heutigen Maßstäben gesehen zeigte Wilhelm II „klare Kante“, wählte markige Worte und sprach aus, was ihm zum jeweiligen Zeitpunkt durch den Kopf ging und was seiner Meinung nach in der Öffentlichkeit einen guten Effekt versprach und „sein Volk“ auch hören wollte…
So war er und so liebte ihn sein Volk – als klugen Charakterkopf mit Ecken und Kanten.

Bei Diplomaten und außenpolitischen Beratern sollen seine spontanen, improvisierten Reden hingegen gefürchtet gewesen sein.

In seiner berühmt-berüchtigten Hunnenrede („Pardon wird nicht gegeben“), die später von den Engländern als Beweis für barbarisches „Teutonentum“ herangezogen wurde, redete sich der Spross der Hohenzollern-Dynastie dermaßen in Rage, dass es trotz verzweifelter Bemühungen seines Staatssekretärs Bernhard von Bülow später nicht gelang, die Niederschrift der Rede nachträglich zu entschärfen und eine schriftliche Fassung der frei gehaltenen Rede Wilhelms in Umlauf zu bringen, die keine unmissverständliche Aufforderung zu einem rücksichtslosen Vorgehen der kaiserlichen Truppen im kolonialen China implizierte.

Schwante dem Staatssekretär und den verantwortlichen Beamten im kaiserlichen auswärtigen Dienst damals möglicherweise, dass unbedachte und undiplomatische Äußerungen ihres doch so eloquenten Kaisers von Gottes Gnaden einst dazu beitragen könnten, sein Volk ins Verderben und die Monarchie in den Abgrund zu stürzen?

„The spoken word is final“ – so lautet eine treffende Übersetzung eines Satzes, der heutzutage auf verteilten Redemanuskripten aufgedruckt ist: Es gilt das gesprochene Wort.
Wortwörtlich könnte man auch übersetzen: Das gesprochene Wort ist endgültig.
Unvorsichtige Äußerungen von Politikern, die in der Öffentlichkeit getätigt werden, lassen sich nicht mehr zurückholen, einmal ausgesprochen, entfalten sie ein Eigenleben, werden rezipiert, reflektiert, kommentiert und rufen Reaktionen hervor, selbst wenn die Aussagen dementiert werden.
Denn selbst der naivste Zeitgenosse weiß, dass ein rasches Dementi die ursprüngliche Äußerung in der Sache allzu häufig bestätigt…

Nun dürfen wir in Deutschland in diesen Tagen und Wochen einem Kanzlerkandidaten zujubeln, der gleichsam als Klartextredner vom Kaliber Wilhelms von einem Porzellanladen in den nächsten stampft…

Ein altgedienter Sozialdemokrat, der schon vor seiner Wahl zuallererst das niedrige Gehalt eines Bundeskanzlers beklagte.

Einer, der ganz im wilhelminischen Duktus schwadroniert, man könne die Kavallerie ausrücken lassen, um die (Schweizer) „Indianer“ zur Räson zu bringen, und der schon mal erwägt, Schweizer Banken die bismarcksche Zuckerbrot-und-Peitsche-Methode spüren zu lassen.

Dennoch vernahm ich mit einigem Entsetzen, dass SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück zwei demokratisch gewählte Politiker eines befreundeten Staates als „Clowns“ titulierte und er für diesen an Peinlichkeit und Frechheit kaum zu überbietenden Ausfall aus den Reihen seiner Partei sogar noch Unterstützung erfährt.

Meint er denn im Ernst, die Bürger würden derartige beleidigende Sprüche goutieren, selbst wenn am Stammtisch zugegebenermaßen die eine oder andere Aussage in dieselbe Kerbe haut? Steinbrück bewirbt sich schließlich nicht um einen Vorsitz im Kegelverein, sondern fühlt sich durchaus für das höchste deutsche Regierungsamt berufen. Kann man es akzeptieren, dass sich ein solcher Mann wie die sprichwörtliche Axt im Walde benimmt? Mich persönlich beschleicht ehrlich gesagt ein leichtes Unwohlsein bei dem Gedanken, Steinbrück als Kanzler zu sehen. Auf welche Auftritte auf diplomatischem Parkett muss man künftig bei einem möglichen „Kanzler“ Steinbrück gefasst sein, wenn er sich jetzt schon nicht zügeln kann und verbale Tiefschläge in alle Richtungen verteilt?

Ist er sich denn bei seinen Pöbeleien nicht der Wirkung bewusst, die seine unbedachten Äußerungen auf das Ansehen Deutschlands im europäischen Ausland haben?
Kann sich Deutschland angesichts der ohnehin schon äußerst kritischen Lage in Europa noch einen „Pöbelkaiser“ auf dem „Kanzlerthron“ leisten?

Jedenfalls dürfte das deutsche und internationale Publikum sicherlich mit staunendem Interesse weiter verfolgen, wie der sozialdemokratische Kanzlerkandidat zielsicher seinen weiteren Weg durch die Fettnäpfchen nimmt.

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